Die Zerreißprobe des Digitalen

Digital_Infografik1_PACTraditionelle Geschäftsstrategien und Organisations-Strukturen geraten durch das rasante Vordringen digitaler Technologien unter Druck. Und zwar unter immensen Druck. In der aktuellen Studie „Digitale Transformation in Deutschland“ von Pierre Audoin Consultants (PAC) berichten zwei Drittel der befragten IT- und Marketingleiter von „sehr deutlichen“ bis „disruptiven“ Auswirkungen der Digitalisierung.

Durchweg alle 150 der befragten IT- und Marketingleiter befassen sich derzeit mit Digitalisierung. Doch weitgehend Fehlanzeige bei einer durchgängig strategischen Behandlung des Themas: mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen setzt vereinzelte digitale Projekte in ausgewählten Bereichen um.

Vom Flickenteppich zum fliegenden Teppich

PAC2014-Studie-Digitalisierungs-VorgehenDie Studie spricht von einem „Flickenteppich“. Weitere 14 Prozent stehen noch am Anfang einer Digitalisierung in ihrer Organisation. Zwar haben immerhin 28 % bereits eine Digitalisierungsstrategie formuliert. Doch im Unternehmen prallen häufig sehr unterschiedliche Meinungen aufeinander, wer dafür verantwortlich sein soll.

Im Wall Street Journal online berichtet Stefanie Bilen von einigen Beispielen aus dem Markt, wie Unternehmen sich erfolgreich neu und digital positionieren:

  • Onlineshops wie Bloomydays und Miflora setzen den Blumeneinzelhandel unter Druck
  • Uber überrollt durch Fahrten in Privatwagen die Taxibranche
  • die Handelsfirma Tengelmann stößt alteingesessene Unternehmensteile ab und investiert in Lieferfirmen wie Brands for Friends oder Lieferheld
  • Medienfirmen wie Axel Springer und ProSiebenSat1 starten Accelator-Programme um Start-Ups zu unterstützen
  • Der Staubsaugerhersteller Vorwerk beteiligt sich an Modeplattformen wie Mädchenflohmarkt (Second Hand) und Dawanda (Handarbeiten)
  • der Energieversorger Eon ermutigt Mitarbeiter, neue Geschäftsideen und –modellezu entwickeln, um eigene Start-Ups zu finanzieren

Digital_Infografik2_PACDoch das sind noch keine fliegenden Teppiche. Die Mehrheit der IT-Entscheider (61 Prozent) sieht nicht das Marketing an der Definition und Umsetzung beteiligt, dies sollten vielmehr CIO und CEO übernehmen. Fast 90 Prozent der Marketing-Verantwortlichen aber möchte doch an der Strategie-Entwicklung beteiligt sein. Während die Marketingleiter dazu fast zu 80 Prozent verstärkt auf Investitionen in IT-Lösungen setzen, ist das für nur 40 Prozent der IT-Leiter das vorrangige Instrument der Wahl. IT und Marketing müssten die Digitalisierung gemeinsam auf die Management-Agenda setzen, lautet daher das Resümee der Studie.

Vom Chief Information Officer zum Chief Innovation Officer

Canopy_5Gründe_digit-trafoKlar ist jedoch auch, dass es ohne das Top-Management nicht geht. Dabei ist sich fast jeder zweite Befragte sicher, dass sein Unternehmen innovativer werden müsse, um überhaupt neue digitale Services und Geschäftsmodelle zu entwickeln. Der Chief Information Officer müsse zum Chief Innovation Officer werden, so die knappe Mehrheit der Entscheider (54 Prozent).

Die Seite CIO.de beschäftigt sich in der Serie „Stolpersteine der Digitalisierung“ bereits seit Wochen mit den acht größten Herausforderungen, die einer Änderung des Geschäftsmodells entgegen stehen: Es wird gewartet, bis wirtschaftliche Not eintritt (22.10.2014), eine starke Führungskoalition fehlt, die den Change entschlossen vorantreibt (28.10.2014), eine Vision des Wandels fehlt oder ist nicht umsetzbar (30.10.2014), die Vision wird nicht oder auf falsche Weise kommuniziert (04.11.2014), oder es mangelt an der entschlossenen Umsetzung (06.11.2014).

Konkurrenzfähig nur mit der DNA des Digitalen?

Weitere Schwierigkeiten der digitalen Transformation stellt it-daily.net dar: einer Umfrage unter CFOs zufolge bemängeln zwei Drittel die fehlende Infrastruktur für den digitalen Wandel. Auch hier dasselbe Bild: der Studie der Atos Cloud Tochtergesellschaft Canopy zufolge befürchten 70 Prozent aller befragten CIOs und CFOs (in Deutschland 66 Prozent), an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Drei Viertel von ihnen (76 Prozent, in Deutschland 83 Prozent) gehen sogar davon aus, bis Ende 2015 nicht mehr konkurrenzfähig zu sein.

Canopy_digitale-DNASelbstverständlich veröffentlicht das Unternehmen Canopy diese Studie mit der Absicht, seine eigenen Dienste anzupreisen. Und wie oben gezeigt, ist es mit der Bereitstellung eines zukunftsweisenden technischen Umfelds alleine bei weitem nicht getan.

Ein Sprecher kreiert in der Bewertung der Studie den schönen Begriff der „DNA des Digitalen“, die in jedem Unternehmen vorhanden sein müsse. Dieser Terminus führt denjenigen des „Digital Native“ weiter, des „Eingeborenen im Digitalen“ und beschreibt mit bildhafter Eindringlichkeit, dass wir als Unternehmer ebenso wie als Konsumenten quasi den „Change schon mit der Muttermilch aufsaugen“.

Doch die Bereitschaft zum Wandel, die einem zutiefst menschlichen Bedürfnis nach Vertrautem und Gewohnheit entgegensteht, ist nicht in vitro einzuimpfen, sondern entsteht erfahrungsgemäß nur durch Neugier, verbunden mit überzeugenden Perspektiven. Und bei aller digitaler Transformation bleiben es doch Menschen aus Fleisch und Blut, um deren Wünsche, Ängste und Hoffnungen es geht.

06. November 2014 von JoergBenner
Kategorien: Mitarbeiter-Wissen, Soziales Netzwerken | Schlagwörter: , , , , , , , , | Schreibe einen Kommentar

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