Fairplay im Alltag 02-2017 – Verantwortung der Empathie
Die Rede der US-Schauspielerin Meryl Streep anlässlich der Verleihung des Golden Globes für ihr Lebenswerk war in mehrerer Hinsicht ungewöhnlich. Sie nutzte die Bühne, um dem Abend eine politische Note zu geben. Sie kritisierte den designierten US-Präsidenten Donald Trump, ohne seinen Namen zu nennen. Und sie platzierte dabei ganz nebenbei eine Botschaft fürs Leben über angemessenes Verhalten.
Zunächst wurde Meryl Streep angekündigt durch Viola Davis, die kurz zuvor den Golden Globe als beste Nebendarstellerin erhalten hatte. In ihrer Laudatio sagte sie, Meryl Streep mache sie stolz eine Künstlerin zu sein, und weiter:
„Du gibst mir das Gefühl, dass das, was ich in mir trage, genügt, dass mein Körper, mein Gesicht, mein Alter genügen.“
Das „Lob der Echtheit“ wurde von Meryl Streep unmittelbar darauf gewissermaßen erfüllt. Ihr gelang durch Authentizität weit besser, woran der Gastgeber des Abends, Tonight-Show-Moderator Jimmy Fallon eher scheiterte. Die Geehrte berichtete von einem Auftritt, der ihr gegenüber anderen großartigen Momenten als erschreckend, ja herzbrecherisch in Erinnerung blieb:
„Es war der Moment, als die Person, die sich darum bewirbt, das am meisten respektierte Amt in unserem Land bekleiden zu dürfen, einen behinderten Journalisten nachgeäfft hat. Jemanden, dem diese Person überlegen war: an Privilegien, an Macht und an Möglichkeiten, sich zu wehren. Es hat auf eine Art mein Herz gebrochen, als ich das sah. Und ich kriege es immer noch nicht aus dem Kopf, weil es nicht in einem Film war – es passierte im wahren Leben.“
Weiter begründete sie, warum sie es so schlimm findet, dass Donald Trump sein Publikum auf Kosten anderer, schlechter gestellter Personen zum Lachen bringt – das im Hals stecken bleiben sollte. Die Begründung ist so simpel wie wahr, weil es durch eine so hoch gestellte Person eine prominente Einladung bietet, im Alltag respektlos und gewalttätig zu sein.
Meryl Streep rief zum solidarischen Schutz der Pressefreiheit, der Schauspielfreiheit und zum Schutz von Ausländern aus. Bereits eingangs hatte sie in ihrer Dankesrede verdeutlicht, dass Hollywood ohne Ausländer nichts wäre. Zudem rief sie ihre Schauspielkolleginnen und -kollegen dazu auf, sich ihres Privilegs und ihrer „Verantwortung des Aktes der Empathie“ bewusst zu bleiben.
Mit der „Verantwortung des Aktes der Empathie“ ist eine Grundeinstellung eines freigeistigen Zusammenlebens angesprochen, die sich kurzerhand als Fairplay bezeichnen lässt. Ich versetze mich in die Lage der anderen hinein und ich habe eine Verantwortung dazu, deren Ansichten gelten zu lassen. Unter dieser Voraussetzung ein gemeinsames Auskommen miteinander zu ermöglichen, ist eine Übung, die ich über das Sportspiel Ultimate Frisbee angehe – wohl wissend, dass dies kein Ersatz für Hollywoodfilme ist.
Es ist wie gesagt eine Übung ohne externe Schiedsrichtende in einem Spiel miteinander auszukommen, in dem beide Seiten dieselben und somit einander entgegen stehende Absichten verfolgen. Das geht nur, wenn ich die andere Meinung gelten lasse, sie nicht verhöhne, verunglimpfe oder beleidige, sondern im Zweifel einfach stehen lasse.
Denn im Moment des Spiels geht es (ebenso wie im Leben) darum weiterzukommen, darum „dass es weitergeht“ und darum, dass wir uns weiterhin in die Augen schauen und uns auch weiterhin im Spiegel ansehen können.