Das Risiko der guten Tat

KStA_20-10-2014_Ins-Risiko-gehenZwei aktuelle Zeitungsberichte, die Beschäftigung mit der Fairplay-Konzeption des Teamsports Ultimate Frisbee und ihr Bezug zu Paul Watzlawick

Im Zusammenhang mit dem Bündnis für nachhaltige Textilien ist Mitte Oktober darüber berichtet worden, dass bei weitem nicht alle Branchengrößen mitmachen werden. Es existieren bereits viele Textilsiegel, ein deutscher Alleingang bringt keine internationalen Veränderungen und überhaupt: Wie soll der Weg von der Faser bis zum Fashion Shop umfassend kontrolliert werden? Timot Szent-Ivanyi weist im Kölner Stadt-Anzeiger ganz einfach darauf hin, dass die Verbraucher die größte Macht haben, Marktverhältnisse zu ändern, wenn es nur genug tun.

KStA_15-10-2014_Geforderte-Kunden_SchlussDieser Mechanismus hat sich in den vergangenen Jahren durch das Web 2.0 deutlich verstärkt. Unternehmen, die bewusst unverantwortlich handeln, etwa indem sie menschenunwürdige Arbeitsweisen unterstützen, werden schnell an den Pranger gestellt und setzen sich der Gefahr aus, von weiten Teilen der Käuferschaft gemieden zu werden. Schnell bricht ein Shitstorm los. Dieser Mechanismus ist für einige Unternehmen bisher der größte Grund, warum sie einen Nachhaltigkeitsbericht verfassen. Sie geben dem öffentlichen Druck nach verantwortlichem Handeln nach, ohne dies aus Überzeugung zu tun.

Umgekehrt ist es für die Verbraucher auch eine Gefahr, den Aufrufen zu Boykotten Folge zu leisten. Der einzelne zahlt dabei meist mehr Geld für seine Anschaffungen ohne jedoch sicher sein zu können, dass sich deshalb trotzdem etwas ändert. Vielleicht schläft er nachts besser, das wäre immerhin etwas. Wie es so schön heißt: „Ein gutes Gewissen ist das beste Ruhekissen“. An dieser Stelle kommt die zweite Veröffentlichung ins Spiel, die ebenfalls aus dem Kölner Stadt-Anzeiger stammt.

Am 20. Oktober 2014 veröffentlichte Joachim Frank ein Interview mit Ute Eberl aus dem Erzbistum Berlin, die bei der Synode der katholischen Kirche in Rom als Auditorin dabei war. Von den in den ersten Tagen geäußerten Absichten zur Veränderung der pastoralen Praxis blieb am Ende so gut wie nichts über. Sie äußert die Vermutung, „dass die Bischöfe vor ihrer eigenen Courage erschrocken sind“. Allerdings, so wendet sie ein, geht es beim Dienen in der Seelsorge nicht darum eine weiße Weste zu bewahren. „Wer für die Menschen da sein will, muss ins Risiko gehen“, ist das Interview betitelt.

Dieses Risiko besteht immer dann, wenn ich mich entschließe etwas Gutes zu tun. Der Unternehmer hat das Risiko, dass er seinen Gewinn schmälert, weil er Grundprodukte aus nachhaltigem Anbau verwendet oder weil er sein Unternehmen umweltfreundlicher produzieren lässt. Wer anderen Menschen hilft, nimmt das Risiko auf sich keinen Dank zu erhalten oder sogar unerwünscht abgewiesen zu werden.

Kommunikations-KompassNun folgt der Schwenk zum Teamsport Ultimate Frisbee, dessen Fairplay-Konzeption keinen externen Schiedsrichter vorsieht. Bei strittigen Situationen sind immer nur die zwei daran Beteiligten gefragt: Wer von sich aus zugibt gefoult zu haben, könnte von seinen Mitspielern als „Verräter“ betrachtet werden. Wer nur aus taktischen Gründen ein Foul ruft, dem könnte ein Vorteil daraus entstehen. Und doch passiert das (so gut wie) nicht. Und dennoch funktioniert der Teamsport und übt ein Verhalten ein, das auf vielen Ebenen der Gesellschaft und bei vielen anderen Sportarten ganz undenkbar wäre.

Die wenig riskante Kettenreaktion des Guten

Im Zusammenhang mit diesen beiden Sachverhalten – der Konsument kann die Märkte bestimmen und die Spieler selbst können den Fortgang eines Teamsports bestimmen – bin ich auf den Begriff der „Kettenreaktion des Guten“ gestoßen, den der Psychotherapeut und Publizist Paul Watzlawick in seinem Buch „Vom Schlechten des Guten oder Hekates Lösungen“ (dtv, München 1986) auf den Seiten 25 folgende beschreibt.

„Wenn ich jemandem 300 Meter durch den Regen nachlaufe, um ihn darauf hinzuweisen, dass er die Lichter seines Auto hat brennen lassen, dann wird derjenige das meist anständig und nachahmenswert finden. In der Folge wird er sich verpflichtet fühlen, einen anderen ebenso darauf hinzuweisen, wenn dieser die Lichter seines Autos brennen ließ.“

[Frei zitiert nach dem Vortrag von Paul Watzlawick: „Wenn die Lösung das Problem ist“, Stuttgart 1987, SWR BW Tele-Akademie, https://www.youtube.com/watch?v=M7aMmiMrYmU, Minute 40., s.u.]

Die „Kettenreaktion des Guten“ heißt nach Paul Watzlawick, das Gute im Kleinen zu tun und durch diese kleinen Handlungen andere ebenso zu einer anständigen und gütigen Haltung zu verpflichten. Mit dem Risiko als „der Dumme“ dazustehen, weil keine Hilfe erwünscht war, weil ich ehrlich war und mich damit entblößt und verletzlich gemacht habe, oder weil ich einen Fehler zugebe, kann ich gut leben.

Können Sie das auch? Wenn Sie Interesse an einem Vortrag oder an einem Seminar auch für Ihr Management haben, das sich mit Fragen des Unternehmensverhaltens, Grundregeln einer Kommunikation auf Augenhöhe und mit Voraussetzungen gelebter Verantwortung befasst, kontaktieren Sie mich gerne.

20. Oktober 2014 von JoergBenner
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