Weihnachten for everyone

In der Vorweihnachtszeit sorgte eine Aussage der Publizistin Lamya Kaddor für Aufsehen, wonach Weihnachten „40 Prozent der Bevölkerung gar nichts“ angehe. Dass das so nicht stimmt, hat auch mit dem Song „White Christmas“ zu tun.

Dass dieser Wert, bezogen auf die nicht-christlichen und nicht-gläubigen Menschen in Deutschland, für die Bedeutung von Weihnachten zu kurz gegriffen ist, hat Lamya Kaddor in ihrer Kolumne bei t-online.de selbst eingeräumt. Darin schreibt sie, rund 40 Prozent der Deutschen haben „mit dem eigentlichen Anlass […], nämlich der Geburt Jesu, nichts zu tun“.

Vielmehr findet sie die Fixierung auf Weihnachten in der öffentlichen Corona-Krisen-Kommunikation absurd und problematisch. In ihren Augen ist „die Kommunikationsstrategie von Kanzlerin oder Ministerpräsidenten in der Coronakrise ziemlich daneben – und das nicht nur in Bezug auf Weihnachten“.

Einverstanden! Auch mit der Problematisierung von Weihnachten als „schlimmster Zeit des Jahres“ für manche und der „Harmoniesucht“, die für viele „Salz in ihren Wunden“ darstellt.

Dennoch steht Weihnachten für eine Sinnsuche zum Jahresende, die nicht zufällig auf den Zeitpunkt kurz nach der Wintersonnenwende fällt, wenn der kürzeste Tag überwunden ist und somit „Hoffnung auf bessere Zeiten“ keimt. Dabei entsteht Nostalgik meiner Meinung nach oft aus dem Vergleich mit den eigenen Kindheitserlebnissen.

Dass die religiöse Bedeutung dabei beinahe schon zweitrangig ist, zeigt ein Beitrag von Michael Fischer im Songlexikon, der das bald 80 Jahre alte Lied „White Christmas“ von Irving Berlin, gesungen von Bing Crosby, als einen Wendepunkt zur Säkularisierung und Globalisierung von Weihnachten beschreibt. Michael Fischer ist Kulturwissenschaftler und ist Geschäftsführender Direktor des Zentrums für Populäre Kultur und Musik (ZPKM) der Albert-Ludwigs-Universität:

„Dabei meint Säkularisierung nicht einfach das Verschwinden von Religion. Vielmehr ging es darum, dass religiöse Erfahrungen pluralisiert und individualisiert wurden.“

Im Detail geht es in dem Lied eben nicht mehr um das christliche Fest selbst, sondern um allgemeine Vorstellungen vom Feiern in der Familie, verbunden mit Werten der Menschlichkeit und der Liebe. Zugleich sei Weihnachten in dem Song schon vor fast 80 Jahren eingebettet in die Konsum- und Unterhaltungskultur. Das gebe dem Lied seine besondere kulturelle Bedeutung.

„Es hat wesentlich die Vorstellung von einer ‚weißen Weihnacht‘ geprägt, die nostalgische Bilder, Erinnerungen an die Kindheit und die Sehnsucht nach Reinheit und Frieden miteinander verbindet.“

Das bestätigt auch Lamya Kaddor, die als Islamwissenschaftlerin von schönen Erinnerungen zu Weihnachten schreibt:

„Schon früher als Kinder kamen wir am 24. Dezember mit Familie und Freunden zusammen und gingen bis zum 26. Dezember nicht mehr auseinander – ganz ohne dabei an das Christkind zu denken.“

Ein anderes Symbol der Konsumfeier Weihnachten, der Weihnachtsmann, wurde bekanntlich von Coca-Cola geprägt. So passt es gut ins Bild, wenn eine andere von demselben Konzern zu Weihnachten in Beschlag genommene Hymne die Liebe (wieder ohne Bezug auf Religion) in den Mittelpunkt rückt. Melanie Thorntons „Wonderful dream“ beginnt mit der Forderung „Love for everyone“ und setzt somit die Tradition von „White Christmas“ fort.

Daher wünsche ich säkularisierte, schöne Weihnachten for everyone!

21. Dezember 2020 von JoergBenner
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