Hallensport findet ‚unter Umständen‘ statt
Ankündigungen von Landesregierung und Sportverbänden führen zu falschen Erwartungen
Die nächsten Lockerungen der NRW-Landesregierung haben in Sachen Sport zu falschen Erwartungen und zu zahlreichen Problemen bei Sportvereinen geführt. Ankündigungen, wonach „Sporthallen nun wieder geöffnet“ seien, womöglich auch die Sommerferien über, stimmen in dieser Allgemeinheit nicht. Vielmehr muss für jedes Angebot eines Vereins in einer einzelnen Sporthalle die Freigabe der Sachbearbeiter*innen in den Stadtbezirken erteilt werden. Es handelt sich also stets um Einzelfall-Entscheidungen.
Dabei steckt oft der Teufel im Detail. Zu klärende Fragen sind jeweils: Ist das Infektionsschutz- und Hygienekonzept schlüssig und ohne Weiteres durchführbar? Das betrifft Abstands-Auflagen im Wartebereich, beim Gang zur Sporthalle und in der Sporthalle selbst sowie die mögliche Nutzung von sanitären Einrichtungen. Dann geht es gerade im Hallenbereich um erhebliche Kosten, die durch gefordertes Desinfizieren anfallen und durch zusätzliche Reinigungen von Sporthallen.
Bei der Desinfektion geht es nicht nur um die Hände aller Teilnehmenden, sondern um sämtliche Gegenstände, die angefasst werden. Im Turnen und Judo betrifft das zum Beispiel auch die Matten, die nach jeder Stunde komplett zu desinfizieren sind. Das stellt einen erheblichen Kostenfaktor für Vereine dar. Eine zusätzliche Reinigung der gesamten Sporthalle erzeugt pro Tag für die Stadt doppelte Kosten. Zudem sind viele Reinigungsfirmen auch bereits ausgebucht, sodass auch dieser Punkt nicht in jedem Kölner Bezirk gleichermaßen gegeben ist.
Weitere kritische Punkte bei der Umsetzung von Hallensport:
- Die geforderte Durchlüftung der Sporthallen ist in vielen Fällen gar nicht möglich.
- Müssen die Teilnahmelisten (gemäß § 2a Rückverfolgbarkeit der aktuellen Corona-Schutzverordnung) bei den Übungsleitenden oder bei der Geschäftsstelle des Vereins vorgehalten werden?
- Auch in der Halle dürfen nun 10 Personen und draußen sogar 30 Personen wieder miteinander Kontaktsport treiben (Corona-SchVO § 9, Absatz 2). Handelt es sich dabei um 9 bzw. 29 Teilnehmende plus Trainer oder Trainerin oder sind bei den 10 oder 30 Personen die Trainer*innen schon inklusive?
- Und vor allem: Ist beim grundsätzlich erlaubten Kontaktsport Kontakt überhaupt vorgesehen?
Im Leitfaden des LSB NRW für Vereine stand noch in der vorigen Fassung vom 1.6.2020, als der erste Kontaktsport schon erlaubt war: „Sämtliche Körperkontakte müssen vor, während und nach der Sporteinheit unterbleiben.“ In der neuen Fassung steht dazu nun: „Kontaktfreie Alternativ- oder Individualprogramme sollten bevorzugt betrieben werden (siehe hierzu die Übergangsregeln der Spitzensportverbände.“ Die Spitzenverbände unterscheiden in diesen Empfehlungen verschiedene Stufen der Rückkehr in den Sport. Detail am Rande: Niemand weiß, in welcher Stufe wir uns jeweils befinden.
Letzten Endes bleibt die Verantwortung weiterhin bei den Vereinen, die sich aufgrund vieler verschiedener Faktoren sehr gut überlegen müssen, welche Angebote können wir in welcher Form wieder aufnehmen? Am 6.6.2020 erklärte LSB-Präsident Stefan Klett im Interview bei WDR 4 (ab Minute 5:28):
„Ein BGB-Vorstand, der eh schon für seinen Verein eine hohe Verantwortung trägt, der hat natürlich hier noch mal eine besondere Verantwortung. Der ist am Ende zuständig dafür, dass die Hygieneregeln aufgestellt werden, der muss dem Gesundheitsamt ein entsprechendes Papier vorlegen, das hat mit viel Aufwand zu tun. (…) Und wenn ein Vorstand der Meinung ist, wir sind noch nicht so weit, wir brauchen hier noch Zeit, wir wollen vielleicht doch das eine oder andere noch mal genauer uns ansehen, dann soll er sich diese Zeit nehmen und sich auch nicht unter Druck setzen lassen.“
Doch genaue diesen Druck erzeugen die kurzfristig ermöglichten Änderungen in der Öffentlichkeit. Die Mitglieder lesen in der Zeitung: „Die Hallen sind offen“ und „Kontaktsport ist wieder möglich“ und erwarten eine sofortige Wiederaufnahme des Sportbetriebs. Regierung und Landessportbund klopfen sich selbst auf die Schulter und lassen verunsicherte Vereinsvorstände zurück, mit zahlreichen ungeklärten Detailfragen und zugleich dem Druck der Erwartungshaltung ausgesetzt.
Eine längerfristige Vorankündigung hätte vielleicht eine geordnete Wiederaufnahme des Sportbetriebs nach Ende der Sommerferien ermöglicht. Stattdessen herrscht nun hektisches Treiben ohne klare Linie. Der Kölner SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach, studierter Arzt und Epidemiologe, kritisiert die neuerlichen Lockerungen des Landes NRW:
„Die Öffnung zielt auf die Hoffnung: „Es wird schon gutgehen“. Es tut mir leid, aber ich halte das für unverantwortlich. Wir fordern das Virus heraus. Ein Rückfall ginge auf Kosten aller.“