Vom glücklichen Zufall (Serendipity)
Teilnahme am Lehrteam-Forum des LSB NRW mit Vortrag von Frank Vohle
Insgesamt 200 Gäste haben sich beim erstmals online durchgeführten Lehrteamtreffen des LSB NRW im Januar 2021 zusammengefunden. Die Organisatorinnen der Akademie für Bildung und Qualifizierung leiteten die Zoom-Sitzung aus einem Studio in Hamm, zusammen mit Linda Kübel von der DOSB Führungsakademie aus Köln. Auftakt und Hauptimpuls war die Zeitreise von Frank Vohle, Gründer der Ghostthinker GmbH zur Entwicklung digitaler Lehr- und Lernformate.
Er berichtete über die Zeit getrennter Theorie und Praxis, jeweils als Präsenzformate etwas bis 2010, die als Blended Learning zu einer „zeitlich-räumlichen Streckung“ der Lehre führte. Teilnehmer*innen von Ausbildungsveranstaltungen können seither im Vorfeld eine Aufgabe bearbeiten, über die bei der Online-Sitzung gesprochen wird und die im Nachgang reflektiert werden kann. Das Zusammenspiel der Phasen und Lernorte führt zu mehr Handlungs- und Reflexions-Kompetenz.
Frank Vohle brachte das in Zusammenhang mit dem Kompetenzmodell des DOSB, wonach Vorwissen aktiviert, genutztes Wissen zu einem „Können“ und somit neues Wissen geschaffen wird. Zugleich liefert eine vorab bearbeitete Aufgabe eine Fülle an Praxismaterial, die zudem in unmittelbarer Beziehung zu den Teilnehmenden steht.
Mit dem Corona-Jahr 2020 wurde allenthalben eine „Notlehre“ entwickelt („emergency teaching“), bei der nach wie vor im Vorfeld und im Nachgang „asynchron“ gearbeitet wird. Die gemeinsamen Sitzungen bilden jedoch eine Art „neue Präsenz“. Dabei soll online möglichst alles synchron stattfinden, und auf Augenhöhe. Einziger Nachteil, es handelt sich dabei um reine Kopfarbeit (so wie meist auch nur die Köpfe in Videomeetings zu sehen sind), die Sinnlichkeit und Körperlichkeit kommen zu kurz. Zudem fehlen bei diesen Meetings meist die informellen Aspekte.
Von Neuer Präsenz zu Serendipity
Bei dieser Gelegenheit führte der Redner den Begriff der „Hyflex-Lehre“ ein, für den hierzulande meist der Begriff „hybrides Lernen“ verwendet wird. Er riet jedoch stark davon ab, zugleich eine online- und eine Präsenz-Lerngruppe betreuen zu wollen. Der mentale Koordinationsaufwand ist enorm, es erscheint fast unmöglich für beiden Gruppen (und übergreifend) ein gleichermaßen „gutes Gefühl“ herzustellen. „Hybrid“ ist für Frank Vohle hingegen der Begriff für den synchronen Teil der Online-Lehre in „Neuer Präsenz“.
Der Ausblick auf die kommenden Jahre brachte die für viele überraschende Erkenntnis, dass verstärkte Online-Meetings (in allen Bereichen) auch einen Einfluss auf künftige Präsenz-Veranstaltungen haben dürften. Nachdem online vieles möglich erscheint, müsse sich der Aufwand mit der Anfahrt zu einem Präsenztermin umso mehr lohnen. Diese reellen Meetings würden als echte Higlight-Events zwischen dem beinahe kontinuierlichen Raum der Online-Verbindung hervorstechen. Zugleich müsse im Gegensatz zu den Online-Meetings die Körperlichkeit, die Emotionen, das Informelle und auch Zufälliges stärker betont werden.
Diesen Aspekt fasst er zusammen unter dem Schlagwort „Serendipity“, einfach übersetzt als „glücklicher Zufall“, „Spürsinn“ oder auch „Entdeckung“. Zusammengenommen geht es quasi um die Kompetenz „einen Spürsinn zu entwickeln, glückliche und unerwartete Entdeckungen zu machen“…
Das kann im online-Meeting damit beginnen, eine zufällige Zuordnung einer Gruppe auf Breakout-Räume vorzunehmen. Nach meiner Auffassung steht der Begriff jedoch auch für eine Haltung, Dinge (mit Vorbereitung) auf sich zukommen zu lassen und flexibel auf sich ändernde Umstände zu reagieren. Das Kunstwort leitet sich ab von Serendip bzw. Sarandib als eine alte Bezeichnung für Ceylon, das heutige Sri Lanka. In wissenschaftlichen Umlauf gebracht wurde es durch den US- Soziologen Robert K. Merton und steht für glückliche Entdeckungen von Forschenden. In diesem Zusammenhang wird oft der Satz zitiert: „Der Zufall begünstigt nur einen vorbereiteten Geist“. Das Wort gemahnt jedoch auch an „Serenity“, was Gelassenheit, Abgeklärtheit oder Heiterkeit bedeutet.
Im weiteren Verlauf des Lehrteam-Meetings stellte der LSB NRW seine jüngsten und kommenden digitalen Qualifizierungsmaßnahmen vor, anschließend wurden zahlreiche Tipps aus der Praxis und für die Praxis vermittelt, zunächst unter Beteiligung zahlreicher Lehrteamer*innen, dann in einer Präsentation der DOSB-Führungsakademie. Eine insgesamt sehr erfrischende und inspirierende Veranstaltung!
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