Ruft mutig in den Wald hinein!
In längst vergangenen Zeiten galt der Wald als furchterregender Ort, vor allem nachts. In heutiger Zeit erinnert nur noch entfernt ein Spruch als Echo an die Macht der grünen Lunge: „Wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es wieder heraus!“ Eine aktuelle Studie bestätigt diese These auch in Zeiten sozialer Netzwerke.
Der Wald schenkt uns die Luft zum Atmen und birgt doch auch tausend Gefahren. Erst die Nutzung des Feuers brachte mehr Sicherheit bei nächtlichen Ausflügen oder Übernachtungen in der wilden Natur. Mut hat sich dabei von jeher bezahlt gemacht. Nur wer sich traut, überwindet ein Hindernis. Und nur, wer den Mund aufmacht, kann mit seinem Gegenüber in Kommunikation treten.
Dabei spielt die Grund- oder Erwartungshaltung des Mitteilenden eine wichtige Rolle, wie eine neue Studie von Forschern der Universitäten von San Francisco und Ithaca belegt, die jetzt im Wissenschaftsmagazin „Proceedings of the National Academy of Scienes“ erschienen ist. Demnach gilt: Wer mit guter Laune in den Wald hineinruft, der erzeugt damit auch vorwiegend gute Laune. Demnach passt sich ein Gesprächspartner nicht nur im direkten Austausch emotional dem anderen an, sondern auch in sozialen Netzwerken.
Die Studie unter der Leitung des Netzwerk-Wissenschaftlers Adam Kramer basiert auf einem Experiment, das die Forscher eine Woche lang mit rund 689.000 Facebook-Nutzern durchgeführt haben. Philip Dingeldey berichtet in der FAZ online, dass diese Erkenntnis auch Potenzial für Missbrauch birgt.
Die Wissenschaftler nämlich manipulierten Postings und Likes, indem sie auf die Filterfunktion von Facebook zugriffen. Das Netzwerk wählt nach einem bestimmten Algorithmus diejenigen Neuigkeiten aus, die ein Nutzer auf seiner Timeline zu sehen bekommt. Dieses Vorgehen ist Usus, da alle Facebook-Freunde eines einzelnen Nutzer gewöhnlich weit mehr Inhalte posten, als der User überblicken könnte.
Entsprechend gaben sie einer Versuchsgruppe deutlich mehr Postings mit positiven Gefühlsäußerungen zu sehen, einer anderen Gruppe deutlich mehr mit negativen. Eine dritte Gruppe empfing zur Kontrolle ihre Postings unverändert. Die Auswahl bewirkte, dass diejenigen, die mehr positive Neuigkeiten erhielten, ihrerseits auch Inhalte mit besserer Stimmung posteten, und umgekehrt. Philip Dingeldey schlussfolgert:
„Auch wenn der Effekt mit Steigerungen von etwa drei Prozent nicht besonders ausgeprägt war, ist das Ergebnis doch bemerkenswert – weil es verdeutlicht, welchen Einfluss soziale Netzwerke theoretisch auf die Stimmung ihrer Nutzer nehmen können.“
Den Filteralgorithmus entsprechend zu ändern, könnte sich für kommerzielle Anbieter bei Facebook also durchaus lohnen. Denn fröhliche Menschen sind generell kaufwilliger. Allerdings gibt es noch weit mehr Faktoren, die die Stimmung der User prägen, die auch außerhalb des Netzwerks liegen können. So belegte eine andere Studie, an der Adam Kramer mitwirkte, dass Postings, die bei schlechtem Wetter verfasst wurden, ebenfalls eher negative Äußerungen beinhalten.
Insofern wäre mein Ansatz, weniger die omnipräsente Manipulationsgefahr zu betonen, als vielmehr die Chance und Verantwortung, die in der Haltung jedes einzelnen liegt, wie er seinem Gegenüber begegnet. Dem Titel des FAZ-Beitrags zufolge sind es glückliche Nutzer, die für glückliche Nutzer sorgen. Wie es laut Albert Schweitzer so schön heißt: „Das Glück ist das einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt“. Doch das gilt sogar für alle Gefühle, im Guten wie im Schlechten. Daher ruft nur mutig und beherzt in den Wald hinein!