DOSB weckt trügerische Hoffnungen

Der oberste deutsche Sportdachverband DOSB (Deutscher Olympischer Sportbund) fordert seine Mitglieds-Verbände auf, für ihre Sportarten zu prüfen, unter welchen Bedingungen ein Trainings- oder auch Wettkampf-Betrieb wieder möglich wäre.

Geplant ist, bis zur nächsten Beratung zwischen Bundeskanzlerin und Ministerpräsidenten einen Entwurf zur Wiederaufnahme des Sportbetriebs vorzulegen. Dies ist aus meiner Sicht ein völlig verfrühter und kontraproduktiver Vorstoß.

Denn die entsprechenden Papiere wecken die trügerische Hoffnung einer bald möglichen Rückkehr zur Normalität. Das steht im krassen Widerspruch zu jeder realistischen Einschätzung der Situation. Zum besseren Verständnis sei dieses Erklärvideo der Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Ngueng-Kim von Anfang März empfohlen.

Natürlich wäre die Rückkehr zu einem Sportbetrieb auch unter eingeschränkten Bedingungen sehr wünschenswert. Der DOSB hat dazu bereits auch einige Argumente gesammelt, welchen Stellenwert der Sport hat, und welche Vorteile das Sporttreiben birgt (siehe das Beispielfoto oben). Kaum der Erwähnung wert, dass Sport sowieso meist unter Einhaltung selbstauferlegter Regeln stattfindet.

Doch solange wir in Deutschland nicht zurückfinden zum sogenannten „Containment“ (Eindämmungsphase der Corona-Pandemie), ist auch ein Kleingruppen-Training in meinen Augen total undenkbar. Containment ist dann möglich, wenn wir durch einen extrem niedrigen Reproduktionswert (die durchschnittliche Ansteckungsrate R deutlich kleiner als 1) über wenigstens zwei Monate zu einem Punkt zurückkämen, dass es eine einzelne Nachverfolgung von Fällen geben könnte.

Der DOSB hat zur Begleitung der innerhalb weniger Tage geplanten Erhebung unter allen Mitgliedsverbänden in Deutschland zehn sogenannte „Leitplanken“ aufgestellt (10 DOSB-Leitplanken nach Lockerung der Corona-Auflagen) und diese unter anderem auf Instagram bebildert veröffentlicht. Zweifellos sind einige dieser Regeln selbstverständlich richtig, ganz gleich, ob es das Einhalten der Distanz- und der Hygieneregeln sowie das Minimieren von Körperkontakten und allgemein Risiken betrifft.

Doch hier liegt bereits der Hase im Pfeffer. Wenn wir Risiken minimieren möchten – was wir auch müssen – erscheint ein Drängen auf Wiedereröffnung des Sportbetriebs in der jetzigen Situation absurd. Daran würde auch nichts ändern, wenn wir nur in kleinen Gruppen und im Freien trainieren, und wenn wir auf Fahrgemeinschaften verzichten und uns zuhause umziehen und duschen. Derzeit können wir uns überall anstecken!

Zudem werden auch nur Bereiche geöffnet, wo es um viele Arbeitsplätze, um den Erhalt von Unternehmen und um Systemrelevanz geht. Dazu gehört der Breitensport sicher nicht. Auch wenn es mir persönlich sehr leid tut!

Diese leichten Lockerungen sind sehr behutsam abgestimmt, und dabei schon jetzt vielleicht zu viel. Ausnahmen im Sport kann es daher allenfalls im Individualsport geben (1 zu 1-Situation Trainer*in und Sportler*in), aber das sehe ich eher im Profisport. Ebenso wird es vielleicht Ausnahmen für die Fußball-Bundesliga geben („Geisterspiele“), nach dem Motto: Brot und Spiele für die Bevölkerung. Wobei auch das ungerecht anderen Sportarten gegenüber wäre.

Dazu hat der DOSB die zehn Leitsätze auch noch mit Bildern illustriert, die aufmachen mit dem Slogan „Fair Play heißt…“. Das finde ich nun gänzlich unangemessen, da dieser Vorstoß aus meiner Sicht eine durchaus als unfair zu bezeichnende Suggestion darstellt, wir könnten doch sicher bald wieder Sport treiben.

Mir ist bewusst, dass die jetzige Situation nicht nur Unternehmen und einzelne Menschen, sondern auch viele Sportvereine an den Rand des Ruins bringen wird. Das betrifft vorrangig die großen Vereine mit einer großen Menge an Personal, ebenso wie viele Fitnesseinrichtungen.

Jedoch hat die Mehrheit der gemeinnützigen Sportvereine mit ihren idealistischen Werten in dieser besonderen Situation sicherlich ganz vorrangig die Gesundheit der Menschen im Kopf und nicht das Geld. Bis wenigstens nach den Sommerferien werden hoffentlich die meisten durchhalten. Denn so viel Geduld werden wir sicherlich aufbringen müssen, solange kein Impfstoff oder wenigstens ein Medikament gegen Covid-19 gefunden wurde.

Sicherlich müssen Verbände schon jetzt Weichen stellen und wo es geht einsparen, kürzen oder mögliche Mittel beantragen. Doch die jetzige DOSB-Initiative macht auf mich den Eindruck einer – in die völlig falsche Richtung zielenden – Lobbyarbeit. Um mit einer positiven Botschaft zu enden, ein anderes vom DOSB gepostetes Bild, das die Fairplay-Haltung der Menschen bemüht, gefällt mir viel besser. Jetzt dem Verein die Treue zu halten, die Mitgliedschaft zu behalten und das eigene ehrenamtliche Engagement aufrecht zu halten, das ist, was ich mir von Vereinsmitgliedern in der jetzigen Zeit erhoffe.

Dieses Bild hatte ich übrigens auch bei der Moderation der Online-Tagung zum Internationalen Tag des Sports für Entwicklung und Frieden am 6. April 2020 in der Sendung „Corona und die Folgen für den Sport“ thematisiert.

18. April 2020 von JoergBenner
Kategorien: Verantwortung | Schreibe einen Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert