Den Kopf einschalten

Turn-On_01-2015-Cover„Turn-on“, das Magazin der Elektronikmarkt-Kette Saturn, thematisiert in einem ausführlichen Beitrag zum „Familienleben 2.0“ die Auswirkungen Sozialer Medien und elektronischer Geräte auf den familiären Zusammenhalt. „Mit digitalen Medien lassen sich familiärer Alltag und Kontakt auch von unterwegs flexibler gestalten.“, so die selbstverständlich wenig konsumkritische Haltung des Beitrags. – Nachtrag: Am 20.01.2015 zitiert die Wirtschaftswoche online aus einer Studie der Universität von Kansas, wonach familiäre Beziehungen von vielen elektronischen Kanälen profitieren könnten.

Ausgehend vom Wandel des familiären Zusammenlebens in Mitteleuropa (Stichworte: Alleinerziehende, Patchwork-Familien, etc.) werden die Vorzüge moderner Technik zur Organisation beruflicher und familiärer Termine gepriesen. Der papierne Familienplaner in der Küche könnte durch synchronisierte elektronische Kalender ersetzt werden, heißt es da. Natürlich können bei Aufenthalten in der Ferne Distanzen mittels mobiler Geräte überbrückt werden. Wirklich spannend fand ich aber diesen Satz in Bezug auf eine Samsung-Studie aus dem Vorjahr:

„Für jeden vierten Europäer helfen soziale Netzwerke wie Facebook, Familienmitglieder und deren Leben besser zu verstehen.“

networksDas würde ja bedeuten, dass viele Familienmitglieder (vornehmlich jüngere) erst in den Sozialen Netzwerken ihr „wahres Ich“ zeigten und sich die eigentlichen Interessen und das „wahre Leben“ der eigenen Familienmitglieder erst durch das Studium ihres Verhaltens gegenüber virtuellen Freunden offenbarten. Ein durchaus interessanter, wenn auch gewagter Ansatzpunkt!

Etwas weniger spekulativ nimmt sich da das Ergebnis einer Studie der Deutschen Telekom aus, wonach knapp mehr als die Hälfte der befragten Onliner in Deutschland angaben (51 Prozent), ohne Internet sich nicht in der Lage zu sehen, ihre Freundschaften beziehungsweise eine enge Verbindung zu ihrer Familie zu pflegen. Das klingt in der Tat traurig! Es verdeutlicht aber zweifellos den fortschreitenden Trend zum „digitalen Ich“, der durch die so genanten „digital natives“ weiter beflügelt wird. Dazu werden weitere Statistiken angeführt. Sehr schön die nachfolgende Einlassung:

„Die Sorge, dies könnte zu einer Entfremdung in der Familie führen, ist unbegründet. Zwar verstauben Brettspiele zusehends im Regal, dafür wird häufig gemeinsam auf Smartgeräten oder Konsolen gespielt. Studien zeigen zudem, dass Kinder bei wirklich wichtigen Themen nach wie vor den direkten Kontakt zu ihren Eltern suchen.“

Dem gemeinsamen Daddeln von jung und alt – besser gesagt, dem Zocken nebeneinander her – steht also nichts mehr im Wege! Immerhin wird darauf hingewiesen, dass es sinnvoll sein könnte, Grenzen der Internetnutzung setzen (bestimmte Webseiten sperren, den Internetzugang auf feste Zeiten begrenzen). Zufrieden schließt der Beitrag mit der Nachricht, dass auch die Nutzerzahlen der über 50-Jährigen im Netz und in Sozialen Netzwerken (65 plus mehr als 26 Prozent Zuwachs seit 2011) stetig steigen.

Timothy-Leary1Der Beitrag listet die Ergebnisse einiger Studien auf, ohne immer die Quelle genau zu benennen und instrumentalisiert sie als Aufruf, in den Elektromärkten kräftig einzukaufen. Interessant finde ich dabei den unfreiwilligen Hinweis im Titel des Magazins „Turn on“, der den Anfang eines berühmten Zitats des Psychedelikers Timothy Leary darstellt: „Turn on – Tune In – Drop Out“.

Dabei bedeutet „Turn On“ eher so viel wie „den Kopf einschalten“, die eigenen Potenziale des Bewusstseins nutzen. „Tune In“ steht für ein harmonisches Interagieren mit der Umwelt (mehr aus dem Inneren heraus, gerne auch ohne elektronische Geräte) und „Drop Out“ schließlich steht eher für das Abweisen und sich Distanzieren von unfreiwilligen und unbewussten Verpflichtungen. Dies lässt sich ummünzen auf die geistige Aufklärung als „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ (Immanuel Kant), wenn auch mit ganz anderen Mitteln.

Aber nein, ich muss nicht jeden Tag auf dem Smartphone spielen! Lesen bildet! Oder wie siehst du das?

19. Januar 2015 von JoergBenner
Kategorien: Soziales Netzwerken, Verantwortung | Schlagwörter: , , , , , , , , , | Schreibe einen Kommentar

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