Fairplay im Alltag 25-2016 – Fremd- und Selbstbild

KStA_Magazin_18.06.2016b„Du sollst nicht von Dir auf andere schließen“

– ist eine Killer-Replik, wenn es um Vorwürfe geht, die jemand an eine andere Person richtet. In der Tat ist es aber häufig so, dass wir in der Wahrnehmung anderer Personen unsere eigenen Absichten diesen unterstellen.

Die Fähigkeit verschiedene mögliche Beurteilungsperspektiven einzunehmen, hängt unter anderem vermutlich von der Fähigkeit zur Empathie und von einer gewissen Lebenserfahrung ab. Das Wochenendmagazin des Kölner Stadt-Anzeigers hat jüngst die Frage behandelt „Wer bin ich? – Wie wir andere und uns selbst einschätzen“. Ein Essay und ein Alltagstest beschäftigten sich vor allem mit der „Psychologie des ersten Eindrucks“ (wie es in einem Text der „Talking Heads“ aus den 1980-er Jahren heißt: „first impressions are often correct“, s.u.).

KStA_Magazin_18.06.2016aIch möchte nur kurz auf ein dabei erwähntes Experiment der beiden Kölner Professoren Detlef Fetchenhauer und Daniel Ehlebracht eingehen. Sie haben einen Katalog von 15 Fragen erarbeitet, der Persönlichkeitsmerkmale von fremden Personen festhält. Dabei unterscheiden sie nach den „Big Five der Persönlichkeit“, die ich erst neulich in diesem Blog thematisiert habe: Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extra- oder Intraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus werden weltweit offenbar weitgehend identisch zur Bewertung einer Persönlichkeit angewandt.

Die Autorin des Magazinbeitrags ergänzte diesen Katalog um 15 weitere Fragen zu den Lebensumständen. Die anschließende Umfrage unter fünf Personen ergab, dass ein Nachbar die Persönlichkeit der Autorin etwa zu 80 Prozent korrekt angeben konnte, drei Personen auf der Straße die Persönlichkeit nahezu identisch gut zu etwa 40 Prozent richtig angeben konnten und eine Person, die nur ein Video der Autorin sah, worin sie Nachrichten vorlas, bei unter 5 Prozent korrekter Einschätzung lag.

Spirit-of-the-Game_SchriftzugWie bereits vor acht Wochen halte ich hier noch einmal fest, dass auch im Sport Ultimate Frisbee sich die Teams nach Partien gegenseitig und selber bewerten, sodass am Ende eines Turniers ein Fremdbild und ein Selbstbild heraus kommen. Die Abweichung zeigt, inwieweit wir als Team das darstellen, was wir in uns selbst sehen. Die Kategorien im Ultimate sind zwar nicht eins zu eins auf die Big Five übertragbar, aber es sind interessanterweise doch auch fünf an der Zahl.

Eine andere Frage dabei ist, wie viel Wert wir auf das Fremdbild anderer von uns legen. Ob wir die darin versteckte Kritik zulassen oder nicht, hängt auch von unserer Wertschätzung der anderen Person ab. Im Sport Ultimate kenne ich jedoch kein Team, dem es ernsthaft egal wäre, wenn es bei der Fairplay-Bewertung regelmäßig gering bewertet würde.

SOTG_Be-Fair-MindedDie Gegenseitigkeit ist dabei ein Grundprinzip, das sich in der Bewertung nur sichtbar äußert. Gegenseitig ist das Vertrauen, das wir ineinander setzen, in fairen Absichten zu handeln. Gegenseitig ist der Respekt voreinander und die Erklärung, dass wir uns an die vereinbarten Regeln halten wollen.

Während der Adoleszenz stellen wir gelegentlich schon als Kinder, spätestens aber als Jugendliche fest, dass mich andere Personen durchaus ganz anders beurteilen als ich es selbst tue. Die Erfahrung zu machen, dass Selbst- und Fremdbild nicht übereinstimmen, halte ich für sehr wichtig, da sie uns in vielerlei Hinsicht die Augen öffnen kann:

  1. es gibt mehr als nur eine mögliche Sicht der Dinge
  2. meine Verhaltensweisen, die ich mehr oder weniger bewusst steuere, kommen bei anderen Personen eventuell ganz anders an, als ich dachte
  3. ich bin vielleicht gar nicht der „tolle Hecht“, für den ich mich selber halte

SOTG_Avoid-Body-ContactDas hat nicht nur mit dem Aspekt der fairen Einstellung zu tun (das „Vom-Anderen-her-Denken“), sondern auch mit dem Aspekt Fouls zu vermeiden, im Sinne von räumlicher Wahrnehmung, wer um mich herum anwesend ist, und der Überlegung, wie ich mich diesen Personen gegenüber verhalte.

Das Konzept des „Spirit of the Game“ beim Teamsport Ultimate Frisbee betont fünf Hauptpunkte für das eigenverantwortliche Regulieren strittiger Situationen: Regelkenntnis – Respektvolle Kommunikation – Vermeiden von Körperkontakt – Faire Einstellung – Liebe zum Spiel. Bei Interesse an entsprechenden Vorträgen oder Workshops kontaktieren Sie mich bitte.

27. Juni 2016 von JoergBenner
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