Freude, Respekt, und Regelkenntnis

Teilnahme an 6. Forum Sportbewegung der Lotto-Sportstiftung beim Landessportbund Niedersachsen in Hannover zum Thema Schiedsrichten

Am Samstag 18. Mai 2019 fand beim LSB Niedersachsen in Hannover das 6. Forum Sportbewegung zum Thema „Schiedsrichter zwischen Respekt und Anfeindung“ statt. Dabei hatte ich die Ehre und das Vergnügen sowohl einen Kurzvortrag zur Wertevermittlung im Sport zu halten und an einer Podiumsdiskussion teilzunehmen als auch am Nachmittag zwei Workshops zum Thema „Fairplay – Eine Frage der Perspektive“ durchzuführen.

Unter den knapp 100 Gästen war auch der LSB-Vorstandsvorsitzende Reinhard Rawe, der Vorsitzende der Sportjugend Niedersachsen Reiner Sonntag und der Präsident des Niedersächsischen Fußballverbands Günter Distelrath. Nach der Begrüßung durch Moderator Christoph Dannowski von der Neuen Presse Hannover und den Vorsitzenden der Lotto-Sportstiftung Hans Ulrich Schneider machte ein Impulsvortrag von Alex Feuerherdt den Auftakt.  Der Schiedsrichter-Ausbilder im DFB ging darauf ein, dass viele Schiedsrichter*innen in ihrem Alltag Anfeindung erleben, und dass dennoch diese Erlebnisse offenbar kein Hauptgrund dafür sind, wenn diese entscheiden, nicht mehr schiedsrichten zu wollen.

Kenntnis- und detailreich schilderte er auch den Wandel der Haltung, wie noch vor 30 Jahren die Kommunikation mit den Spielenden verpönt war und Schiedsrichter als „Halbgötter in schwarz“ galten, und wie sich ihre Rolle immer mehr zu der der Konfliktmoderation wandelt. In Anlehnung an eine Schlüsselfigur bei diesem Wandel hat Alex Feuerherdt den Podcast „Collinas Erben“ gegründet. Ralf Tietge, Präsident der Schiedsrichtervereinigung im Deutschen Rugby-Verband, zeichnete anschließend das Bild, wie traditionell aber auch respektvoll der Umgang mit Schiedsleuten im Rugby ist.

Dennoch gab es auch dort Probleme, einmal mit Beginn der zunehmenden Professionalisierung im Rugby ab Mitte der 1990er Jahre. In der Folge wurde eine Playing Charta entwickelt, die neben Respekt auch Disziplin und Solidarität fordert. Er hob vor allem die Disziplin hervor, Regeln und Werte einzuhalten. Weiter gab es vor rund 12 Jahren Herausforderungen bei Schüler*innenturnieren, wenn keine offiziellen Schiris vorhanden waren und Coaches oder Eltern einsprangen. Seitdem wurde das Einstiegsalter zur Grundausbildung zum Schiedsrichten auf 12 Jahre herabgesetzt, die Schiri-Ausbildung wird auch in Vereinen angeboten und der Austausch zwischen Trainer*innen und Schiedsrichter*innen wurde verstärkt.

Anschließend konnte ich in meinem bebilderten Kurzvortrag die Situation schildern, wenn im Ultimate Frisbee die Spielenden auf dem Feld auch als Schiedsrichtende agieren. Dabei ging ich auf die Bestandteile der vorgeschriebenen Fairplay-Regelung im Paragrafen 1 des Ultimate-Regelwerks, genannt Spirit of the Game ein, Demnach sind fünf Bedingungen zu erfüllen:

  • Regelkenntnis,
  • das Vermeiden von Fouls,
  • respektvolle Kommunikation,
  • eine verbindliche Haltung der Gegenseitigkeit
  • und der Erhalt der Freude am Spiel.

Für die Vermittlung dieser Grundlagen verwies ich wie meine Vorredner auf die Bedeutung des Vorlebens und auf die Schwierigkeit Verhaltensweisen zu ändern. Zugleich führte ich die bestehenden Lehrmittel und Anstrengungen an, die der Deutsche Frisbeesport-Verband unternimmt, um den Frisbeesport im Übergang vom Trend- zum etablierten Sport so zu steuern, dass diese Wertevermittlung gewährleistet bleibt.

In der Podiumsdiskussion ging es um die Fragen, wie die Regeln der Sportarten stärker vermittelt werden können (der Weltverband des Flugscheibensports verlangt Akkreditierungstests für alle Nationalspielenden), und wie die Haltung der Spielenden zu ihrem Sport geändert werden kann. Im Fußball nerven die mehr oder weniger subtilen Versuche von Spielenden, Schiris auf ihre Seite zu ziehen, das Betteln, das Schauspielern, das dauernde Fordern nach dem Einwurf nach jedem Ball im Aus und vor allem die allgemeine Akzeptanz des taktischen Fouls bei einem schnellen Gegenstoß.

Die Tatsache, dass selbst Fans des gegnerischen Teams der Meinung sind, die gelbe Karte für das Unterbinden eines Konters „muss“ der Verteidiger in Kauf nehmen, das lässt schon tief blicken. Alex Feuerherdt sprach sich für Zeitstrafen wie in anderen Sportarten für ein solches Vergehen aus, die es im Jugendfußball noch gibt, die jedoch im Amateurfußball aufgrund internationaler Vorgaben nicht mehr erlaubt sind. Ich bezeichnete die gesellschaftliche Akzeptanz des taktischen Fouls als scheinheilig, respektive als Kennzeichen einer bedenklichen Haltung in der Gesellschaft, die sich im Sport widerspiegelt.

Für andere Randsportarten wie Kanupolo berichtete Britta Seksts, dass es für sie eine reine Pflichtveranstaltung ist, auch als Schiedsrichterin zu agieren, da der Verband dies verlangt. Zugleich würden aber selbst Freundinnen aus anderen Teams teilweise persönliche Motive unterstellen, wenn sie nach bestem Wissen und Gewissen einmal gegen diese pfeift. Dies belaste nicht nur diese Freundschaften, sondern sei auch schwer ertragbar.

In meinen Workshops am Nachmittag ging ich vom Zitat der Fairplay-Kommission der UNESCO aus, dass sich Sportler*innen fair verhalten, wenn sie von der oder dem anderen her denken. Ein Perspektivwechsel ist bei der Beurteilung von Sportspielsituationen meist hilfreich. Im Ultimate Frisbee gibt es ein Prinzip der direkten Beteiligung, wonach nur die Beteiligten an einer strittigen Situation dies verhandeln müssen. Das Interessante dabei: Es kommt nicht darauf an, dass sie am Ende einer Meinung sind, sondern sie müssen sich nur darauf verständigen, wie ihre Sichtweisen sind, um danach entsprechend den Vorgaben die Situation aufzulösen und das Spiel wieder in Gang zu bringen.

Ich bedanke mich bei der Lotto-Sportstiftung Niedersachsen für die Einladung und die bereichernden, interdisziplinären Gespräche! Bei Interesse an Workshops kontaktieren Sie mich bitte!

20. Mai 2019 von JoergBenner
Kategorien: Öffentlichkeitsarbeit, Verantwortung | Schlagwörter: , , , , , , , , , | Schreibe einen Kommentar

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