Fairplay im Alltag 05-2016 – Wertebewusstsein
Die anhaltende Diskussion über die Zuwanderung von Flüchtlingen und die Anforderungen an Integration ist häufig – auch in den Medien – stark emotional geprägt. Das ist kein Wunder, wenn Fremdes in unsere Lebenswelt eindringt und wenn einzelne schlechte Erfahrungen den Boden für Pauschalurteile bilden. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass wir uns auf unsere Werte besinnen und diese auch im Integrationsprozess zur Geltung bringen.
Sicherlich sind einige Vorwürfe gegenüber der Presseberichterstattung gerechtfertigt. So stellen Themenauswahl, der Zugang zum Thema und vor allem der Tenor eines Berichts häufig bereits eine Stellungnahme dar. Ich persönlich würde in der Medienschelte nicht so weit gehen wie Hugo Müller-Vogg, der im Januar auf der Seite rolandtichy.de von der fraglosen Parteiischkeit der Medien schrieb, unter dem Schlagwort: „Die Presse lügt nicht, sie macht Politik“.
Auch wenn er betont, dass die Medien in Deutschland sicherlich keine Lügen verbreiteten, lauten einige seiner Thesen zur Presse jedoch: Der Meinungsjournalismus dominiere die Nachrichten, die meisten TV-Nachrichtenmagazine seien bereits Kommentar-Sendungen. Entsprechend würden die meisten Journalisten von ihrer eigenen politischen Meinung beeinflusst. In diesem Zusammenhang und vor dem Hintergrund der seit dem vergangenen Sommer allgemein beschworenen „Willkommenskultur“ seien Risiken und Kosten der Integration weitgehend ausgeblendet worden.
Zudem kreidet er den Medien eine quasi agitative Bildauswahl an. Die Reaktion vieler Betrachtenden ist vorhersehbar: Beim Bild des ertrunkenen Flüchtlingskindes am Strand werden wir mitleidig, bei Bildern der sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht vor allem am Kölner Hauptbahnhof werden wir unbarmherzig (zuletzt hat der chinesische Künstler Ai Weiwei sich selbst als ertrunkenen Flüchtling inszeniert).
Der Philosoph Richard David Precht hat im Kölner Stadt-Anzeiger Mitte Januar ein wohltuend sachliches Interview gegeben, unter dem Titel: „Nicht von Affekten treiben lassen“ (wortgleich in der Frankfurter Rundschau unter anderem Titel). Darin weist er sowohl auf die milliardenschweren Kosten für Bildung, Integration und Polizeipräsenz hin, als auch auf die typischen Stimmungsschwankungen in der Presse: „Zu viel Harmonie – das halten die Medienmacher, die auf Dissonanz gepolt sind, nicht allzu lange aus.“ Ganz entscheidend erscheint mir jedoch die von ihm beschriebene Gefahr, dass die Maßstäbe verloren gehen:
„Die hehren Werte der Aufklärung, auf die wir – zu Recht – so stolz sind, auch unsere Liberalität und Toleranz haben keine allzu feste Verankerung im Unterboden der Gesellschaft und sind hinüber, wenn irgendetwas Bedrohliches vor unserer Haustür passiert.“
Integration heißt von seinem lateinischen Wortursprung her „Erneuerung“. Das ist meiner Meinung nach eine gute Sache. Für gelingende Integration wird allgemein vorausgesetzt, dass eine Wertegemeinschaft gebildet und Menschen in eine Lebensgemeinschaft einbezogen würden. Dabei stehen die Werte nicht umsonst an erster Stelle: Denn es wird schwierig verschiedene Gruppierungen zu einem integrativen Zusammenleben zu führen, wenn diese sich nicht zuvor über ihre Werthaltungen klar werden und sich bewusst darauf einlassen, sich zu gemeinsamen Werten zu bekennen.
Dazu erscheint ein respektvoller Umgang miteinander unverzichtbar, jedoch keine völlige Anpassung und auch nicht das Aufgeben eigener kulturellen Identitäten. Doch gerade für die Flüchtlinge, so heterogen sie unter dieser Sammelbezeichnung auch sind, geht es darum, sich ihrer neuen Umgebung gegenüber zu öffnen und dazu bereit zu sein, die hier geltenden Regeln wahrzunehmen und einzuhalten.
Der Teamsport Ultimate bietet mit seinen fünf Grundprinzipien der Selbstregulierung von Partien durch die Aktiven gute Beispiele dafür, wie das gehen kann: Gefordert werden Regelkenntnis – Respektvolle Kommunikation – Vermeiden von Körperkontakt – Faire Einstellung – Liebe zum Spiel (hier im Sinne eines „Spiels des Lebens“). Kein Wunder, dass bereits in einigen deutschen Städten auch „Ultimate für Flüchtlinge“ erfolgreich angeboten wird.
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