Im Datennetz sozialer Medien
Der Kampf um Daten und ihre Auswertung ist noch lange nicht am Höhepunkt angelangt. Jüngst wurde bekannt, dass Facebook auch unveröffentlichte Postings speichert. Zugleich hat eine neue Studie herausgefunden, dass sich der Social Traffic innerhalb eines Jahres verdoppelt hat, während erstmals der Suchmaschinen-Traffic gesunken ist.
Letzteres verdeutlicht eine weitere Relevanz der Sozialen Netzwerke. Die Anzahl der durch sie aufgerufenen externen Links hat seit November 2012 um ganze 110 Prozent zugelegt. Der traditionelle Suchtraffic ist im selben Zeitraum dagegen um knapp sechs Prozent gesunken. Insgesamt macht das Surfen über Suchmaschinen immer noch mehr als 40 Prozent aus. Dasjenige über Soziale Netzwerke ist jedoch bereits auf 15 Prozent angestiegen. In dem Shareaholic-Report wurden lediglich die fünf größten Suchmaschinen (Google, Yahoo, Bing, Ask und AOL) und die fünf größten sozialen Netzwerke (Facebook, Pinterest, Twitter, StumbleUpon und Reddit) verglichen.
Diese Trendwende im Surfverhalten signalisiert eine weitere Zunahme der Bedeutung virtueller Freundeskreise, die mit einem veränderten Kommunikationsverhalten einhergeht (vgl. Beitrag „Tücken scheinbarer Anonymität“). Das Marktforschungsunternehmen prognostiziert einen weiteren rapiden Anstieg in den kommenden Jahren, sodass Soziale Netzwerke über kurz oder lang zu den Suchmasken Nummer eins werden könnten. Damit wird im Online-Marketing auf lange Sicht die Search Engine Optimization nicht länger das Thema Nummer eins sein, sondern kreativer (oder auch bauernfängerischer) Content wird zunehmend gefragt.
Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht überraschend, dass die großen Sozialen Netzwerke die Menge an erhobenen Daten (insbesondere die so genannte „Customer Journey“ betreffend, also woher Onlineshops den besten Zulauf erhalten) weiter ausbauen. Erst jüngst wurde dazu bekannt, dass sich die Aussagekraft von bis zu achtzig Prozent der Daten den Forschern nicht von selbst erschließt (vgl. den Beitrag „Der Generationenkonflikt in den Netzwerken“).
Wenn Facebook nun eine Studie beauftragt hat, die sich mit unveröffentlichten Postings beschäftigt, dann hat diese Tatsache zwei interessante Aspekte. Zum Einen drängt sich die für den Datenschutz relevante Frage auf: Kann Facebook auch Inhalte speichern, obwohl sie nicht gepostet wurden oder registriert das Unternehmen nur eine „Last-Minute-Selbstzensur“? Immerhin betrifft dieses Verhalten der Studie der Carnegie Mellon University in Pittsburgh zufolge immerhin 71 Prozent der User, ist also durchaus relevant. Die Forscher gaben an, dass sie keine Inhalte, sondern nur die An- oder Abwesenheit von Text in den html-Formularen erfasst hätten.
Zum Anderen wirft das Erstellen einer solchen Studie die Frage auf, welchen Stellenwert nicht-veröffentlichte Inhalte bei der psychologischen Profilerstellung von Nutzern haben? Der Kölner Stadt-Anzeiger zitiert den Psychologen und Datenforscher Adam Kramer („Können Gefühle ansteckend sein?“) aus einem Interview auf der Facebook-Konzernseite:
„Facebooks Datensammlung ist das größte Studienobjekt in der Geschichte der Welt.“
Auch wenn die erfolgreichsten Chief Information Officer (CIO) großer Internet-Unternehmen auf einer kaum vorstellbaren digitalen Reise sind, auch wenn sie die Erfahrungswelt ihrer Kunden als Ausgangspunkt ihrer Marketing-Strategien nehmen, auch wenn sie sich durch ganz besondere Fähigkeiten in der Datenanalyse auszeichnen, so bleibt die große Schwierigkeit doch die qualitativ relevante Auswertung all jener Daten, die ein digitales Profil eines Konsumenten ergeben soll.
Die digitale Customer Journey lässt sich heutzutage durch das Web-Controlling einwandfrei nachvollziehen. Die eigentliche Herausforderung liegt jedoch in der psychologischen, konsumente-nzentrierten, qualitativen Analyse dieser Reise. Marktforscher von Ipsos versuchen durch die Methode eines dramaturgisch aufgebauten „Pathfinder-Interviews“ die Schlüsselmomente für Kaufentscheidungen herauszufiltern. Mithilfe so genannter Entscheidungspfade entdecken die Marktforscher die Gelegenheiten zur effektiven Kaufbeeinflussung für Unternehmen, genannt „Opportunity Zones“.
Dabei spielen wie immer die Markenkommunikation und das Markenerlebnis eine besondere Rolle. Der ausschlaggebende Faktor bleibt aber nach wie vor der mündige Konsument, der sich ebenso selbstsicher in der realen wie in der virtuellen Welt bewegt und sich darüber im Klaren ist, dass Händler online und offline, below and above the line nur auf die Opportunity Zones warten, ihm das Geld aus dem Kreuz zu leiern.