Auskommen auf Augenhöhe

Laterale-Führung-SymbolDie neue Studie „Kommunikation in Projekten“ der Münchner Beratungsgesellschaft Cetacea hat ergeben, dass eine mangelhafte Kommunikation der häufigste Grund für das Scheitern von Projekten ist (Reizwort berichtete). Doch wie lässt sich Kommunikation in Abteilungen gleichermaßen wie in Projektgruppen steuern? Das Sich-Begegnen auf Augenhöhe ist ein Ansatz, den Jörg Benner von Reizwort in Seminaren verfolgt unter dem Titel: „Laterale Führung am Beispiel von Ultimate Frisbee“.

Der Teamsport Ultimate Frisbee funktioniert von der lokalen bis zur internationalen Ebene ohne externen Schiedsrichter. Diese Besonderheit wird in den Reizwort-Coaching-Seminaren als Beispiel dafür herangezogen, wie auch im Berufsalltag ein Auskommen miteinander auf Augenhöhe möglich ist, ohne die „Berufungsinstanz“ eines gemeinsamen Vorgesetzten.

In immer mehr Situationen haben Berufstätige mit Mitarbeitern zu tun, zu denen keine klare hierarchische Beziehung besteht. Dies betrifft die Zusammenarbeit mit Lieferanten, mit externen Beratern, mit Selbstständigen und Freiberuflern ebenso wie mit Ehrenamtlichen. Laterale Führung (lateral: lateinisch für seitlich) wird allgemein umschrieben mit „Führung ohne Weisungsbefugnis“. Sie steht im Gegensatz zum autoritativen Führungsstil, der nach strengen Hierarchien und Weisungsebenen vorgeht.

Gute Beispiele für ihre Notwendigkeit sind Arbeiten in Projektgruppen oder Arbeitskreisen, in denen die Leiter über eine fachliche, aber keine disziplinarische Autorität verfügen. Eine wesentliche Herausforderung besteht darin, ohne einen gemeinsamen Vorgesetzten, der quasi als Schiedsrichter aufträte, die Mitar­beiter aus verschiedenen Machtstrukturen zu einem Team mit einer gemeinsamen Aufgabe und einem Ziel zu formen und dazu die Art des Umgangs miteinander festzulegen.

Meinungsaustausch in Eigenverantwortung

Schon bei der Festlegung der drei grundlegenden Faktoren eines Projektes spielt Kommunikation eine entscheidende Rolle: Den Projektauftrag klar zu formulieren, den Projektleiter genau auf diese Kompetenz hin auszuwählen sowie bei der fortwährenden Unterstützung durch das Top-Management. Dabei zeigt sich, dass Kommunikation in einem Unternehmen weitgehend durch die vorherrschende Kultur geprägt ist.

mehrere-MenschenDies bezieht sich nicht auf die Kultur, wie sie in vielen schönen Richtlinien ausformuliert ist, sondern auf diejenige, wie sie in der Praxis gelebt wird, und zwar ebenfalls vom Top-Management bis hin zu den „einfachsten“ Mitarbeitern in jeder Abteilung. Die Notwendigkeit gemeinsam vereinbarter, konkreter Kommunikationsregeln erweist sich in Projektgruppen ganz besonders, weil dort die Mitarbeiter ohne präzise und verlässliche Vereinbarungen sehr schnell ins „Schwimmen“ geraten können.

Tatsächlich ist eine festgelegte Kommunikation jedoch ein belebendes und die Geschäftsfähigkeit steigerndes Element in jeder Abteilung. Dies betrifft ebenso die Selbstverständlichkeit, Fragen stellen, wie diejenige Kritik äußern zu dürfen. In jedem Fall gilt, wie es so schön heißt: „Der Ton macht die Musik!“ Wenn der eingangs zitierten Studie zufolge sogar in Projekten noch 72 Prozent der Teilnehmer hauptsächlich per E-Mail informieren, dann sieht das in „eingefahrenen“ Abteilungen vermutlich sogar noch schlimmer aus.

Konfliktlösung ohne Schiedsrichter

Der Paragraf 1 im Regelwerk der Endzonensportart Ultimate Frisbee sieht unter dem Stichwort „Spirit of the Game“ ein genau beschriebenes Handlungskonzept vor. Bei strittigen Situationen führt es eine Schlichtung herbei und ermöglicht eine Fortsetzung des Spiels, und zwar so, „als habe es die Regelverletzung nicht gegeben“. Voraussetzung dafür ist die Selbstverpflichtung auf Respekt, Ehrlichkeit und Sachlichkeit. Nur auf dieser Basis kann die vorgesehene Selbstregulierung des Geschehens in Eigenverantwortung funktionieren.

Shake-handsKonkret heißt das: Können sich die zwei Kontrahenten nicht auf eine Sichtweise einigen, geht die Scheibe zurück zum vorigen Werfer. Beim Business Coaching zum Thema gelingt es, mit theoretischen und praktischen Übungen das Prinzip der Selbstregulierung aus dem Teamsport Ultimate auf die Ebene beruflicher Zusammenarbeit zu übertragen. Entsprechende Seminare verfolgen das Ziel, den Teilnehmern zu vermitteln, warum und wie in einer strittigen Situation im Job die Handlungsfähigkeit ohne übergeordnete Instanz hergestellt werden kann. Diese eher theoretischen Aspekte der inneren Haltung, die sich in der angemessenen Handlung widerspiegelt, werden durch praktische Spielsituationen mit dem Sportgerät Frisbeescheibe einstudiert.

Handlungen entsprechen einer Haltung

Im Sinne einer lateralen Führung stellt Ultimate somit ein lebendiges Beispiel einer gelungenen Vermittlung zwischen zwei Positionen dar, die anschließend die Fortführung einer gemeinsamen Arbeit erlaubt. Unerlässlich für das Gelingen dieses Verfahrens ist jedoch einerseits die Reflexion – einmal zurückzutreten und die Situation von außen zu betrachten – und andererseits eine entsprechende Fair Play-Haltung, die ein Gentlemen’s Agreement ermöglicht. Um die Voraussetzungen für eine entsprechende innere Einstellung zu schaffen, versuchen die Coaching-Angebote am Ende des Seminars bestehende Unternehmens-Richtlinien zu einer Art “Corporate Spirit” zu erweitern, der sich auf die konkreten Handlungsanweisungen im Regelwerk von Ultimate Frisbee bezieht.

Die anfänglich überraschten Reaktionen auf das Verfahren eines Teamsports, der ohne externen Schiedsrichter auskommt, weichen nach der Praxis gewöhnlich der Überraschung, dass das Spiel selbst und die Handhabung der vereinbarten Basisregeln dennoch „ganz einfach“ funktionieren. Seminare zur lateralen Führung am Beispiel von Ultimate Frisbee bietet Jörg Benner an. Interessenten wenden sich bitte an den Autor.

17. März 2013 von JoergBenner
Kategorien: Mitarbeiter-Wissen | Schlagwörter: , , , , , , , , , , , , , | 9 Kommentare

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